Betrifft: Verbot unbezahlter Praktika und soziale Absicherung für BerufseinsteigerInnen
Im Jänner 2015 waren in Österreich 472.539 Menschen ohne Job und damit so viele Menschen erwerbslos wie seit 1954 nicht. Arbeitslosigkeit geht für die Betroffenen einerseits mit finanziellen Sorgen, Zukunftsängsten und Stress einher, andererseits erhöht sie auch den Druck, Arbeit mit geringer Entlohnung, fehlender sozialer Absicherung und schlechten Arbeitsbedingungen anzunehmen. Davon betroffen sind nicht zuletzt viele junge Menschen, die sich trotz oftmals guter Ausbildung als Teil der „Generation Praktikum“ von Job zu Job hanteln müssen und dabei nur mäßig oder schlichtweg gar nicht entlohnt werden. Unbefristete Arbeitsverträge, die bei entsprechender Entlohnung soziale Absicherung garantieren, liegen für immer mehr junge Menschen in schier unerreichbarer Ferne.
Dass es sich dabei um keine subjektive Wahrnehmung handelt, soll hier mit zwei Zahlen unterlegt werden: Im März 2015 waren österreichweit über 20.000 Uni-AbsolventInnen arbeitslos, womit sich die AkademikerInnenarbeitslosigkeit innerhalb von acht Jahren mehr als verdoppelt hat. Demgegenüber steht die Tatsache, dass die Hälfte der berufstätigen Menschen unter 30 Jahren befristete oder sogenannte freie Dienstverhältnisse hat, wie das Forschungsinstitut Forba erhoben hat.
Eine besonders unverschämte Form der Ausnutzung dieser prekären Lage von mehr und mehr jungen Menschen stellt die Zunahme unbezahlter Praktika dar. „Monatelange Vertretungen von Beschäftigten, die in Karenz sind, zum Nulltarif, oder Lehrverhältnisse, die nach dem Praktikum in Aussicht gestellt werden und dann nach einem Monat im Weihnachtsgeschäft ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, werden uns genauso gemeldet wie viele krass unterbezahlte Arbeitsverhältnisse und andere arbeitsrechtliche Umgehungen", heißt es dazu von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp). PraktikantInnen werden so systematisch als Arbeitskräfte eingesetzt, mit Ausbildung hat diese ausbeuterische Praxis höchstens periphär zu tun. Um den hohen Anforderungen von Unternehmen zu entsprechen oder schlicht aus purer Verzweiflung fühlen sich junge Menschen gezwungen, sich auf diesen Deal einzulassen. Der Preis dafür ist hoch, bleibt am Ende trotz Bezahlung, die noch nicht einmal die Fixkosten abdeckt, doch vielfach anstelle der erhofften Fixanstellung nur ein Platz in der Warteschleife des nächsten Unternehmens.
Über Wochen und Monate hinweg Praktika zu absolvieren, die noch nicht einmal die Lebenshaltungskosten decken, setzt aber bereits (eine meist von den Eltern geleistete) finanzielle Unterstützung voraus. In diesem Licht sind auch die Aussagen von AMS-Vorstand Kopf zu werten, der kürzlich gegenüber dem Nachrichtenmagazin „profil“ meinte: „Die Generation Praktikum existiert nach unseren Zahlen nicht." Ein Grund zum Aufatmen ist das nicht, im Gegenteil: Gerade für Kinder aus ArbeiterInnenfamilien und jene ohne familiäre finanzielle Unterstützung ist noch nicht mal der Einstieg in die „Generation Praktikum“ leistbar. Das Problem wird hier insofern verlagert, als viele StudienabsolventInnen Jobs annehmen (müssen), die weder mit ihrer Ausbildung in einem Zusammenhang stehen, noch eine existenzsichernde Entlohnung bieten.
Graz kann als Universitätsstadt und Wohnort von zehntausenden Studierenden und StudienabsolventInnen die mit dem geschilderten Phänomen einhergehenden existenziellen Sorgen von mehr und mehr jungen Menschen nicht ignorieren. Der Gemeinderat der Stadt Graz sollte eine Vorreiterrolle einnehmen und sich für Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen von StudienabsolventInnen aussprechen und stark machen.
Ich stelle daher namens des KPÖ-Gemeinderatsklubs folgenden
Antrag zur dringlichen Behandlung (gem. § 18 der Geschäftsordnung des Gemeinderates)
Die Stadt Graz fordert die österreichische Bundesregierung auf, folgende gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen zur sozialen Besserstellung junger BerufseinsteigerInnen zu schaffen:
1. Ein gesetzliches Verbot von Volontariaten (unbezahlte „Praktika“), die keinen Ausbildungszweck haben und zur Umgehung von Arbeitsverhältnissen geeignet sind.
2. Einführung eines Praktikumsgesetzes, das Praktika, die im Rahmen einer schulischen/universitären Ausbildung vorgeschrieben sind, klar rechtlich definiert und von anderen Beschäftigungs- und Tätigkeitsformen abgrenzt. Darin müssen Standards bezüglich Arbeitszeit, Mindestentgelt, Arbeitsvertrag, Bildungsziele, Betreuungsstruktur und Praktikumszeugnis festgelegt werden.
3. Unterstützung der Forderung nach Aufnahme von Praktika in die Kollektivverträge: Die Aufnahme der Verwendungsgruppe „PraktikantInnen aus Fachhochschulen und Universitäten“ in die Lohntabelle.
4. Job-Offensive für BerufseinsteigerInnen und Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für über 25-jährige StudienabsolventInnen nach 6-monatigem arbeitslosenversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis.
5. Schaffung eines Stipendiensystems für Praktika im NGO-Bereich.
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