Betrifft: Zukunft trotz(t) Herkunft: Mehr Geld für Schulen mit hohem Anteil an sozial benachteiligten Kindern - Petition an den Bundesgesetzgeber
Das österreichische Schulsystem ist durch einen besonders starken Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und Bildungserfolg gekennzeichnet. Laut Armutskonferenz fällt z.B. eine überbelegte Wohnung mit einer Halbtagsschulordnung zusammen, wenig Einkommen trifft auf ein kalkuliertes Nachhilfesystem, geringe Unterstützung zu Hause kommt mit eigener Erschöpfung und Unkonzentriertheit zusammen und schlecht ausgestattete Schulen vereinen sich mit einem sehr selektiven Schulsystem. 11% der Volksschulen, 17 % der Hauptschulen aber nur 2 % der AHS weisen SchülerInnen mit einer hohen sozialen Benachteiligung auf.
Martin Schenk von der Armutskonferenz verweist in diesem Zusammenhang auf die internationale Lesestudie PIRLS: „Hohe Bildung und damit hohes Einkommen, hohe berufliche Position bedeuten im hiesigen Schulsystem eine um 90 Punkte bessere Leistung als Kinder aus Elternhäusern mit weniger Bildung und Einkommen. Bildungschancen sind stark vom Elternhaus abhängig. In anderen Ländern beträgt dieser Abstand weniger als 40 Punkte samt besserer Spitzenleistungen.“
Um die Chancen für alle Kinder zu erhöhen forderten Armutskonferenz, die Initiative „bildungsgrenzenlos“ und die Arbeiterkammer Wien auf der im Mai stattgefundenen Bildungsenquete „Zukunft trotz(t) Herkunft“ Modelle zur besonderen Unterstützung benachteiligter Schulstandorte. Johann Bacher, Vorstand des Instituts für Soziologie der Johannes-Kepler-Universität Linz, stellte als einen Ansatz dafür die indexbasierte Mittelverteilung vor. „Die Idee der indexbasierten Mittelverteilung ist, dass für jede Schule ein Sozialindex berechnet wird, der von 100 bis 100 plus X geht. Das X ist, was die Gesellschaft bereit ist, zum Ausgleich von sozialer Benachteiligung auszugeben. Eine Schule kann etwa einen Index von 120 haben, das würde bedeuten, dass sie über die Basisfinanzierung hinausgehend 20 Prozent zusätzliche Mittel bekommt, um soziale Benachteiligungen auszugleichen.“ (Der Standard, 2.6.2014)
Indikatoren zur Berechnung des Sozialindexes wären beispielsweise die Bildung und der Beruf der Eltern sowie Migrationshintergrund und die zu Hause gesprochene Sprache. Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat im Auftrag der Arbeiterkammer auch noch weitere Indikatoren ermittelt. Neben individuellen Faktoren wie dem Bildungsstand der Eltern oder Arbeitslosigkeit spielen laut IHS auch die Wirtschaftslage und die Arbeitslosigkeit in der Region, in der die Schule angesiedelt ist, eine Rolle für die Leistung der SchülerInnen und sollten dementsprechend bei der Zuteilung der Mittel an Schulen miteinbezogen werden.
Wesentlich bei diesem Modell ist, dass die Zusatzmittel für Schulen mit vielen sozial benachteiligten SchülerInnen direkt an die Schulen fließen und diese auch autonom darüber verfügen können. „Die Schulen müssen einen Plan für den Mitteleinsatz entwickeln und dieser Plan sollte legitimiert werden durch einen erweiterten Schulgemeinschaftsausschuss, in dem die kommunalen Partner stärker eingebunden werden“, so Johann Bacher im Interview. Vorteile einer indexbasierten Finanzierung wären (zitiert aus der Enquete Unterlage): - der Ausgleich von sozialen Benachteiligungen - ein transparentes und objektives System - Vermeidung des Matthäus-Effekts - Förderung der schulischen Autonomie und der schulischen Demokratie - Vertrauenssignal an Schulen und Lehrkräfte - Anreize für engagierte Schulen und LehrerInnen - Vermeidung von Stigmatisierungen (Einstufung als außerordentliche SchülerIn)
Mit dem Modell einer kompensatorischen Mittelzuteilung – also dass Schulen, die aufgrund der Zusammensetzung ihrer SchülerInnen vor größere Herausforderungen gestellt sind – haben bereits andere Länder wie die Niederlande, Schweiz, Deutschland und Kanada bereits gute Erfahrungen gemacht. In Linz gibt es laut Professor Bacher erste positive Anwendungsbeispiele dieses Modells.
Auch in Graz stehen wir vor der Herausforderung, wie wir es schaffen können, allen Kindern unabhängig vom Bildungshintergrund oder vom Einkommen der Eltern einen guten Bildungsweg zu ermöglichen. Mit dem oben beschriebenen Modell einer indexbasierten Mittelverteilung für Schulen wäre es möglich, eine tatsächliche Systemveränderung herbei zu führen. Zum einen würde dieses Modell ein klares Bekenntnis dazu bedeuten, dass Schulen, die einen hohen Anteil von Kindern haben, die aus sozial bzw. bildungsbenachteiligten Familien kommen, mehr Ressourcen benötigen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und die Bildungschancen der Kinder deutlich zu erhöhen. Zum anderen fördert dieses Modell die Autonomie der Schulen, denn die LehrerInnen vor Ort wissen am besten, ob sie zusätzliches Lehrpersonal, unterstützende Angebote wie Schulsozialarbeit, Mediation etc. oder sonstige Ressourcen am dringendsten brauchen.
Namens des Grünen Gemeinderatsklubs – ALG stelle ich daher folgenden
Dringlichen Antrag
Der Gemeinderat der Stadt Graz tritt am Petitionsweg an Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek heran und fordert in Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeinden die Entwicklung und Prüfung eines Kompetenzmodells inklusive Finanzierung im Sinne des Motivenberichts, das sowohl individuelle Faktoren der SchülerInnen (sozialer bzw. Bildungshintergrund der Eltern), die soziale Zusammensetzung der SchülerInnen als auch Strukturindikatoren an den jeweiligen Schulstandorten (z.B Arbeitslosigkeit, Wohninfrastruktur) einbezieht.
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